5. Die Synagoge - Reichsprogromnacht

Aus der Schulchronik der katholischen Volksschule[1] 

Am 7. November erschoss der Jude[2] […] den deutschen Botschaftsrat Ernst vom Rath in Paris. Dieser schändliche Mord löste in ganz Deutschland eine solch große Empörung aus, daß man in der Nacht zum[3] […] den Juden allgemein zu Leib rückte, denn das Geseiere der gesamten Mischpoke hatte ja letzten Endes den Mord auf dem Gewissen. Die meisten Judenfamilien Gemündens hatten bis dahin den Ort verlassen, so hauptsächlich die, die für ihre „teuren Knochen“ zu fürchten hatten. Die noch hier waren, hatten sich im allgemeinen ruhig verhalten, so daß ihnen persönlich kein Leid geschah. Auf unaufgeklärte Weise fing nachts gegen 12 Uhr die Synagoge plötzlich Feuer. Die darin wohnende Judenfamilie Salomon Ochs wurde anderweitig mit ihrer Habseligkeit untergebracht. Bei Tagesanbruch standen nur noch die kahlen Mauern, die der öffentlichen Sicherheit wegen niedergelegt werden mußten. Einige Geräte der Synagoge, die einigen Wert besaßen, wurden sichergestellt, die anderen auf der Bleiche dem Feuer übergeben. Den Platz, auf dem die Synagoge stand, steigerten Ludwig Gruhn und August Geiß. Da die Judenhäuser in Gemünden größtenteils leerstehen wurden sie, ihres geringen Wertes wegen, für wenig Geld verkauft, dsgl. die liegenden Güter.

Der Abriss der Synagoge

Verhandelt am 22.11.1938[4]

Der Zimmermannsgeselle Heinrich Moog, 24 Jahre alt, aus Gemünden, wird verhört. 

Er gibt zu Protokoll: 

 

Abriss Synagoge Gemünden

Ich war am 21.11.38 damit beschäftigt an der Judenschule  in Gemünden abzureissen.[1] Am Nachmittag konnten wir infolge des anhaltenden Regens nicht arbeiten. Wir standen im Bau. Der Jakob Odenbreit und der Heinrich Melsheimer warfen nun in das offenstehende Giebelfenster des Steffen. Ich habe die beiden wiederholt gewarnt, und erklärt, dass die Beschwerden an mich kämen. Die beiden liessen sich jedoch nicht stören und warfen ruhig weiter. Ich habe nicht mit Lehm geworfen.

Sonst kann ich nichts sagen.


 

 

 

[1] Aus dem Jiddischen Schul(e) = Synagoge, meist auch im Hunsrück für Synagoge verwendet.

 

                               

 


 

[1] Schulchronik der katholischen Volksschule, Auszüge bei H.W. Johann. Die originale Rechtschreibung ist beibehalten.

[2] Name nicht erwähnt, Lücke im Text 

[3] Datum ausgelassen. Dies spricht dafür, dass dieser Bericht lange nach den Ereignissen geschrieben wurde, jedoch noch während des 3. Reiches

[4] Akten des Amtsverwaltung Gemünden, im Besitz von H.W. Johann. Foto: Sammlung G. Morscheiser, Gemünden

[5] Aus dem Jiddischen Schul(e) = Synagoge, meist auch im Hunsrück für Synagoge verwendet.