Erinnerungskultur zu Gast auf dem Lott-Festival

Bereits seit 1977 zieht das beliebte Lott-Festival stets am ersten Augustwochenende zahlreiche Besucher in das kleine Raversbeuren im Hunsrück. Nach zweijähriger Zwangspause fand die Veranstaltung am 6. August 2022 nun endlich wieder statt und mit dabei war in diesem Jahr auch der Förderkreis Synagoge Laufersweiler. Denn das Festival bringt nicht nur vielfältige Music-Acts in das sonst eher verschlafene Hunsrück-Dorf sondern bemüht sich jüngst auch vermehrt darum, Angeboten zur kulturellen und politischen Bildung Raum zu geben, in dem zeitkritische Themen angesprochen und diskutiert werden können. In diesem Jahr widmete sich das Festival dem Thema Erinnerungskultur, und stieß in diesem Rahmen eine Podiumsdiskussion an unter der Frage „Ist das alles nur Theater?“ Wie kann Erinnerungskultur heute dem Schrecken noch gerecht werden?“. Dazu eingeladen war Carolin Manns, um den Förderkreis Synagoge Laufersweiler als eine lokale Erinnerungsinitiave zu repräsentieren und aus der Praxis zu berichten.

Die Teilnehmer*innen der Podiumsdiskussion auf der "Waldbühne" des Lott-Festivals (von links): Thomas Kupczik, Carolin Manns, Jonas Becker (Moderator), Georg Mertes, Fabian Jungnickel und Marc Schoentgen

 

 

 

 

 

Unter den Podiumsgästen war auch Georg Mertes, Vertreter des Fördervereins Gedenkstätte KZ Hinzert e.V., der bereits am Freitagabend die Dokumentation „‘Dir sid nët vergiess‘ - Das Konzentrationslager Hinzert“ vorstellte. Diese gewährte Einblicke die Geschichte des Haft- und Konzentrationslagers im Hunsrück, das als „Durchgangslager“ für überwiegend luxemburgische, belgische, französische und niederländische Häftlinge fungierte. Über die gemeinsame Erinnerungsarbeit in der Grenzregion und die Unterschiede zwischen luxemburgischer und deutscher Erinnerungskultur berichtete auch Marc Schoentgen, Leiter des Zentrums für politische Bildung in Luxemburg. Weiterer Gesprächspartner war Fabian Jungnickel vom Netzwerk für Demokratie und Courage (NDC), das junge Menschen als Multiplikator*innen im Kampf für Demokratie und gegen menschenverachtendes Denken ausbildet. Außerdem vor Ort war Thomas Kupczik vom Verein „Für ein buntes Trier“ – gemeinsam gegen Rechts e.V., der sowohl mit Bildungsangeboten aber auch kreativen Protestformen dem Rechtsextremismus in Trier die Stirn bietet und sich in den vergangenen zwei Jahren sehr rege gegen Verschwörungserzählungen im Zusammenhang mit der Corona-Krise engagiert hat

Aus verschiedenen Perspektiven beleuchteten die Gesprächspartner das Thema Erinnerungskultur, waren sich in den meisten Punkten jedoch durchaus einig: In ihren Einrichtungen ist die Erklärung „Nie wieder!“ mehr als bloßes Lippenbekenntnis und nicht nur leere Formel und Ritual - also sicherlich kein Theater. Die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen und ihre Opfer sei nicht nur Rückschau, sondern wirke in Gegenwart und Zukunft hinein. Denn eine Gesellschaft, die sich aktiv erinnere und ihre Geschichte nicht leugne oder verschweige, könne Bedrohungen der Demokratie am besten begegnen. Reflexion anzuregen und Orientierung zu bieten, sei wichtige Aufgabe der Erinnerungskultur. Einig waren sich die Podiumsgäste auch darin, das Erinnern nicht einfach gegeben sei sondern bewusste und stetige Arbeit bedeute. Zur Sprache kamen in diesem Zusammenhang auch neuere Erscheinungsformen von Antisemitismus, auch solche, die versteckt als Kritik an der Corona-Krise zum Vorschein kamen und Hand in Hand mit anderen Verschwörungstheorien gingen. Häufigste Frage aus dem Publikum: Wie mit fragwürdigen Meinungen im engsten Kreise umgehen? „Fragen stellen, immer wieder Fragen stellen“ rieten die Experten, um Vorurteile zu dekonstruieren und die Gründe hinter dem Glauben an Verschwörungstheorien offenlegen zu können.

 

 

 

 

 

 

 

 

Links: Abendstunden über dem Gelände des Lott-Festivals mit Blick auf die Hauptbühne. Rechts: Direkt hinter der Hauptbühne am Eingang zum Festivalgelände wurde die Ausstellung "Jüdisches Leben im Hunsrück" gezeigt.

So vergingen zwei Stunden angeregten Austauschs, während derer die heiteren Festivalbesucher in leichter Atmosphäre auch den ernsten Tönen dieses Nachmittags lauschten. Ergänzt wurde die Podiumsdiskussion durch die Plakatausstellung „Gemeinsam gegen Antisemitismus“, ein Gemeinschaftsprojekt von „Für ein buntes Trier“, der Initiative Interdisziplinäre Antisemitismusforschung der Uni Trier (IIA) und der jüdischen Studierenden Union, die für Phänomene und Erscheinungsformen des modernen Antisemitismus sensibilisiert. Gezeigt wurde außerdem die Ausstellung „Jüdisches Leben im Hunsrück“, die im vergangenen Jahr gemeinsam vom Förderkreis Synagoge Laufersweiler und der Initaitve für Freizeit und Musikkultur (IFM) für das Festival „Auf Anfang“ gestaltet wurde. Nach einem aufregenden Jahr auf Reisen durch den Hunsrück und das Nahetal hatte diese auf der Lott nun ihren letzten Stopp. Hier zog diese noch einmal alle Blicke der etwa 6000 Besucher auf sich, denn den prominenten Ausstellungsbereich direkt am Eingang zum Festivalgelände konnte niemand umgehen.